Der vielseitige Norden Boliviens

Nach drei Monaten in Peru machen wir uns auf den Weg nach Bolivien. Wir überqueren die Grenze beim weltbekannten Titicaca See. Dort verbringen wir die ersten Tage, dann geht’s in den abgelegenen Nationalpark Sajama und zum Schluss noch in die einzigartige Metropole La Paz.

Die Grenze am Titicaca See ist klein und unscheinbar. Innerhalb von circa 45 Minuten haben wir uns in Peru ausgestempelt und sind in Bolivien eingereist. So gefällt uns das! Weiter geht’s zu einem hübschen Camping direkt am See in Copacabana. Dort wollen wir uns für die nächsten Tage organisieren. Die ersten Schritte in einem neuen Land sind immer die gleichen. Bargeld abheben, Sim-Karte besorgen und ganz grob planen. Es stellt sich heraus, dass Copacabana ein bekannter Pilgerort ist. Entlang der Promenade sind mehr als ein Dutzend Touristenbusse parkiert. Viele Peruaner und Bolivianer kommen hierhin, um sich segnen zu lassen. Zudem kann man auf dem eiskalten See Bananenboot fahren, an der Promenade Fisch Essen und den mit Kreuzen übersäten Pilgerhügel erklimmen. Das mit dem Bananenboot fahren lassen wir bleiben. Die leckere Trucha lassen wir uns aber natürlich nicht entgehen und auch den Hügel mit perfekter Sicht auf die Bucht besteigen wir.

Die kriminellste Fähre Südamerikas

Nach zwei Tagen in Copacabana fahren wir zum Sajama. Das Highlight auf dieser Strecke ist die kriminellste Fähre in Südamerika. Sie besteht aus ein paar zusammengenagelten Brettern und einem Aussenbord-Motor. Platz haben drei Fahrzeuge. Es schaukelt was das Zeug hält und für die ein Kilometer lange Strecke benötigt man fast zwanzig Minuten. Ein Abenteuer! Wir fragen den Kapitän, für wieviel Gewicht die Fähre ausgelegt ist und er antwortet selbstbewusst: 40 Tonnen. Unglaublich bei dieser Konstruktion. Als uns dann später eine andere Fähre mit Reisebus entgegenkommt, sind wir beruhigt. Das Ganze scheint stabiler als gedacht.

Bevor wir die Region um den Titicaca-See verlassen, verbringen wir noch eine Nacht auf einer nur sehr dünn besiedelten Peninsula. Die schwimmenden Inseln besuchen wir bewusst nicht, da uns praktisch alle Reisenden davon abgeraten haben. Der Tourismus hat diese scheinbar gänzlich zerstört. Übrig geblieben ist eine Restaurant- und eine Souvenir-Insel.

Herausforderung Tanken in Bolivien

Der Sajama Nationalpark liegt im Westen an der Grenze zu Chile. Das sind einige Kilometer und so müssen wir das erste Mal in Bolivien zur Tankstelle. Klingt simpel, ist es aber nicht. Der Kraftstoff wird in Bolivien vom Staat stark subventioniert und ist daher sehr preiswert. Das gilt jedoch nicht für Personen mit ausländischen Fahrzeugen. Wir bezahlen den dreimal so hohen Extranjero-Preis, wenn wir überhaupt etwas bekommen. Denn das System für Ausländer ist kompliziert, weswegen viele Tankstellen keine Lust haben, Ausländer zu bedienen. Damit wir nicht mit halbleerem Tank stranden, haben wir vorab online einige Tankstellen rausgesucht, die uns gegen ein grosszügiges Trinkgeld Diesel zum lokalen Preis verkaufen sollten. Doch bereits bei der ersten haben wir Pech. Ihnen ist der Kraftstoff ausgegangen. Wir sollen es einen Kilometer weiter versuchen. Aber auch dort kein Erfolg. Es hat zu viele Menschen und das Risiko dabei erwischt zu werden uns «illegal» Diesel zu verkaufen ist zu gross. Zum Glück haben wir immer noch einen halbvollen Tank. Unsere dritte und letzte Option auf dieser Strecke liegt 60 Kilometer entfernt. Wir haben Glück. Nach einer kurzen Verhandlung kriegen wir für sechs Bolivianos statt neun pro Liter eine halbe Tankfüllung. Der Preis für die Einheimischen liegt bei 3.70. Mit sechs haben wir vermutlich etwas zu viel bezahlt, für uns ist es aber trotzdem ein Erfolg. Jetzt wissen wir, wie wir verhandeln müssen und sind fürs nächste Mal gerüstet. Von anderen Reisenden haben wir im Vorfeld viele Schauergeschichten gehört. Teilweise mussten diese bis zu zwölf Tankstellen anfahren. Da sind wir mit drei glimpflich davongekommen.

Vulkane, bissiger Wind und ein Ausflug nach Chile

Nach zwei Stunden Fahrt durch das Nichts erreichen wir den Eingang des Nationalparks. Im Kontrollhäuschen sitzt niemand. Auch sonst ist weit und breit niemand zu sehen. Wir fahren rein und sind schon auf den ersten Metern begeistert. Die Strasse ist gesäumt von Vulkanen und Lagunen, die Natur fast unberührt und die Nachmittagsstimmung einmalig. Wir legen spontan einen Stopp ein und spazieren zu einem Aussichtspunkt. Die Vulkane und die raue Umgebung wirken wie aus einer anderen Welt. Wir geniessen die Stimmung und machen uns dann auf den Weg zu unserem Schlafplatz. Im Nationalpark darf man überall campen. Wir haben uns einen Platz neben einem Geysir ausgesucht, welcher auch der Startpunkt zur bevorstehenden Lagunenwanderung ist. Als wir eintreffen ist es schon kurz vor sechs und bitterkalt. In der Nacht sinken die Temperaturen auf minus 8 Grad. Trotzdem nehmen wir unsere Heizung nicht in Betrieb, denn nicht nur Tanken ist in Bolivien schwierig auch das Auffüllen von ausländischen Gasflaschen ist staatlich verboten. Das heisst für uns Gas sparen. Wir mummeln uns ein und hüpfen früh ins Bett. Am nächsten Tag steht Wandern auf dem Programm.

Als wir um acht loslaufen, schlägt uns ein bissiger Wind entgegen. Wir frieren und das obwohl wir Mütze und warme Kleidung tragen. Der Wind peitscht uns regelrecht um die Ohren. Wir befinden uns wieder einmal auf über 3000 Meter und das Klima zeigt uns dies erbarmungslos. Aufgeben ist aber keine Option. Trotz den widrigen Umständen stapfen wir bestimmt dem über 20 Kilometer langen Weg entlang. Zum Glück geht es teilweise fast senkrecht bergauf. Das wärmt innerlich. Nach etwas mehr als einer Stunde erreichen wir die auf fast 4000 Metern gelegene Lagune, welche auch die Grenze zu Chile bildet. Der Wind hat nicht nachgelassen und wir kommen nur langsam voran. Wir schiessen einige Bilder und beschliessen noch zur zweiten Lagune zu laufen, die komplett auf chilenischem Boden liegt. Belohnt werden wir mit einer magischen Aussicht auf die Lagune und weitere Vulkane. Nach mehr als drei Stunden in diesem eisigen Wind geben wir auf und treten den Rückweg an. Trotz wunderschöner Umgebung zehrt dieses Wetter an unseren Nerven und wir sind froh, als wir nach sechs Stunden wandern endlich Beat aus der Ferne sehen. Zum Glück geht es morgen zu den Thermalquellen.

Heisse Quellen und herzliche Begegnungen

Kaum aufgestanden machen wir uns auf dem schnellsten Weg auf zu den warmen Quellen. Wir suchen uns die heisseste aus und verbringen fast eine Stunde im Wasser mit bester Aussicht auf den 6542 hohen Vulkan Sajama. Besser könnte es nicht sein. Die Flüsschen und kleinen Tümpel um uns herum sind noch gefroren und wir sitzen hier im 40 Grad warmen Wasser. Einfach nur herrlich! Das Thema Duschen ist damit auch abgehakt und so machen wir uns auf den Weg zurück Richtung La Paz. Zuvor schlafen wir aber nochmals im Park auf der anderen Seite des Sajamas. Der höchste Berg Boliviens hat uns komplett in seinen Bann gezogen. Wir parkieren Beat einige Meter entfernt von der offiziellen Strasse und setzen uns an die Sonne. Als wir da so sitzen treibt ein Einheimischer seine Alpaca-Herde über die Felder. Er ist neugierig was wir hier zu suchen haben und kommt mit seinem Fahrrad bei uns vorbei. Wir erzählen ihm, dass wir aus der Schweiz sind und heute hier übernachten. Besorgt weist er uns darauf hin, dass es sehr kalt wird. Er selbst trägt Sandalen ohne Socken und eine Daunenjacke. Eine lustige Kombination. Wir unterhalten uns noch eine Weile und dann radelt er auf seinem uralten Fahrrad zurück ins Dorf. Mittlerweile hat er sich noch eine Mütze aufgesetzt und Wollhandschuhe angezogen. Die nackten Füsse scheinen ihn trotz Minusgraden nicht zu stören. Wir winken zum Abschied und verschanzen uns dann schnell in Beat und kochen etwas Warmes zum Abendessen.

La Paz – Die Canyon-Stadt

Nach drei Tagen fernab von jeglicher Zivilisation erreichen wir die Metropole La Paz. Zusammen mit dem Vorort El Alto beherbergt sie rund 2 Millionen Menschen. Gelegen inmitten eines Sandstein-Canyons. So etwas haben wir noch nie gesehen. Im Kessel wohnen die gutbetuchten Bolivianer, an den Hängen des Canyons die ärmere Bevölkerung. Eine absurde Szenerie. Wir campen auf dem Parkplatz einer Autogarage etwas ausserhalb von La Paz. Von dort aus erreichen wir die Innenstadt in einer Stunde mittels dem modernen Seilbahnnetz. Dieses wurde erst 2014 gebaut und verkürzt das Pendeln deutlich. Zudem ist die Aussicht über die Stadt unglaublich. Im Gegensatz zu Medellín ist es aber hier für die ärmere Bevölkerung zu teuer. Sie verbringen nach wie vor Stunden im Stau in den günstigeren Colectivos. Schade!

Reunion, Rindsfilet und Cholita-Wrestling

Angekommen in La Paz erkunden wir die Umgebung und bereiten uns auf die Reunion mit Nadle und Tom vor. Sie treffen zwei Tage später in La Paz ein und reisen dann gemeinsam mit uns weiter. Da darf ein gutes Essen nicht fehlen. Fleisch ist in Bolivien unglaublich günstig und so gibt es Rindsfilet vom Grill, Kartoffelgratin, eine gute Flasche Wein und ein ordentliches Lagerfeuer. Der perfekte Start. Am nächsten Tag besuchen wir den grössten Freiluftmarkt der Welt. Er befindet sich in den Strassen von El Alto und erstreckt sich über 25 Quadratkilometer. Verkauft wird alles: Autoteile, Stoffe, Lebensmittel, Haushaltswaren oder auch Kinderspielzeug. Erschlagen von der Anzahl an Ständen und Menschenmengen flüchten wir zum zweiten Programmpunkt dieses Tages: Cholita-Wrestling. Der Begriff Cholita steht für die indigenen Frauen in Bolivien. Lange wurden sie in der Gesellschaft unterdrückt und nicht ernst genommen. Eine der Initiativen, um sich mehr Gehör und Respekt zu verschaffen, ist Wrestling. Ganz nach dem Motto wir indigenen Frauen können alles, aber wirklich alles, auch tun. Wenn auch mittlerweile etwas touristisch, ist die Show super unterhaltsam und sehenswert. Die Kämpfe finden in einer ungeheizten Halle in El Alto statt. Daher lohnt es sich warme Kleidung mitzubringen. In traditioneller Kleidung stürzen sich die Frauen aufeinander und schenken sich rein gar nichts. Ein Spektakel. Nach eineinhalb Stunden machen wir uns fröstelnd auf den Weg nach Hause. Dafür müssen wir die Stadt komplett durchqueren. Nach dreimal umsteigen in der Gondelbahn und einer rasanten Fahrt mit dem Colectivo erreichen wir müde, aber zufrieden unseren Campingplatz. Das war ein gelungener Auftakt in Bolivien. Nächster Stopp: Death Road

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