Vom einem Wanderparadies machen wir uns auf den Weg ins Nächste. Auf dem Plan stehen fünf Tage im spektakulären National Park Torres del Paine in Chile. Wir fahren stundenlang durch die Pampa Argentiniens und überqueren schliesslich die Grenze nach Chile.
Der Weg vom Perito Moreno zum Torres del Paine ist nicht gerade mit Highlights gepflastert. Stundenlang fahren wir auf pfeifengeraden Strassen durch die öde Landschaft. Da die Strecke in einem Tag nicht zu bewältigen ist, steht zudem ein romantischer Übernachtungsplatz an der Tankstelle auf dem Programm. Als wir am nächsten Morgen weiterfahren, ist die Stimmung trotzdem ausserordentlich gut. Wir freuen uns auf die bevorstehenden Wandertage. Die Tickets mussten wir bereits Monate im Voraus buchen und unser gesamtes Programm dementsprechend planen. Und jetzt ist es endlich so weit.
Ein einschneidendes Erlebnis
Die Strecke heute ist ähnlich wie gestern. Eine gerade Strasse, links und rechts nichts. Kein Verkehr und meist kein Telefonempfang. Wir stimmen uns mit heiterer Weihnachtsmusik auf die bevorstehende Festtage ein. Bis aus der Ferne ein Feuer auftaucht. Auf der rechten Seite der Strasse sind zudem zwei Pick-ups geparkt. Ein Unfall! Wir halten an und eilen mit unserem Erste-Hilfe-Kasten zur Unfallstelle. Was wir dort sehen, ist schockierend. Den Fahrer und die Beifahrerin hat es durch die Windschutzscheibe mehrere Meter nach vorne geschleudert. Vom Auto ist nicht mehr viel übrig. Das Feuer hat es fast gänzlich zerstört. Die beiden Argentinier, die vor uns eingetroffen sind, teilen uns mit, dass der Fahrer bereits tot sei und der Beifahrerin nicht geholfen werden kann. Jemand sei auf dem Weg zum nächsten Punkt, wo es Signal hat, um die Ambulanz zu benachrichtigen. Ratlos stehen wir am Strassenrand. Schliesslich meinen sie unser Feuerlöscher könnte hilfreich sein. Zum Einsatz kommt er dann aber doch nicht. Zu gross ist das Risiko, dass der Schaum mit dem starken Wind zur verletzen Person rüber geweht wird.
Über 6000 Personen versterben jährlich auf den Strassen Argentiniens. In der Schweiz sind es lediglich 220.
Nach einer gefühlten Ewigkeit trifft schliesslich die Ambulanz ein. Ohne Blaulicht oder Sirene. Ganz gemütlich steigen die beiden Sanitäter aus. Sie tragen keine Arbeitskleider, sondern Trainerhosen. Ob der Fahrer wirklich tot ist, wird erst mal nicht kontrolliert. Er liegt mit einer Jacke über dem Kopf auf dem Boden. Sie laden die verletzte Person ein und kontrollieren dann nach einer weiteren Viertelstunde doch noch, ob der Fahrer Puls hat. Er scheint definitiv tot. Danach fahren sie wieder ohne Blaulicht davon. Der Tote bleibt liegen. Das Auto brennt immer noch. Der erste Pick-up fährt weg und uns wird mitgeteilt, dass wir gehen sollen. Fassungslos starren wir auf die sich abspielende Szene und hoffen einfach inständig, dass wenigstens bald jemand kommt und den Toten mitnimmt. Uns wird bewusst, dass wir unglaublich Glück hatten, dass uns bei all diesen Stunden im Auto nie etwas passiert ist. Und wir realisieren jetzt erst richtig, wie professionell die Ambulanz in der Schweiz arbeitet und dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Schweigend fahren wir weiter bis zur Grenze. Die Vorfreude ist verflogen und der Schock sitzt tief.
Lebensmittel- und Geldengpässe in Chile
Trotz allem schaffen wir es noch an die Grenze und versuchen, die schrecklichen Bilder aus unseren Köpfen zu verbannen. Bei der Grenzüberquerung trennen wir uns wie immer von den letzten frischen Lebensmitteln, welche nicht eingeführt werden dürfen. Unsere ganze Hoffnung, Lebensmittel für die kommenden fünf Tage zu finden, liegt in einem kleinen Laden in der Nähe der Grenze. Die Ausbeute ist mager. Wir finden ein paar Äpfel, eine Avocado, Hackfleisch und Toastbrot. Zum Glück haben wir noch viele Vorräte. Damit wird sich schon etwas machen lassen. Bereits kurz nach der Grenze verändert sich die Landschaft. Wir kommen an wunderschönen Lagunen vorbei und in der Ferne zeigen sich die Türme des Bergmassives. Ein beeindruckender Anblick.

Wir registrieren uns kurz beim Besucherzentrum und informieren uns über die Windstärke in den nächsten Tagen. Denn am Lago Pehoé, wo wir Beat zurücklassen, soll es in der Vergangenheit schon mehrfach Fahrzeuge umgewindet haben. Glücklicherweise hält sich der Wind in den nächsten Tagen in Grenzen. Somit können wir Beat guten Gewissens drei Tage dort parkieren. Allerdings wartet vor Ort eine weitere Überraschung auf uns. Die Fähre zum Ausgangspunkt des Trekkings kann neu nur noch bar bezahlt werden und kostet umgerechnet 140 Franken. Da wir direkt von Argentinien kommen und es unterwegs keine Bankomaten gab, haben wir nicht genügend chilenisches Geld dabei. Zum Glück finden wir einen Busfahrer, welcher uns zu einem schrecklichen Kurs argentinische Pesos wechselt. Nachdem wir auch dieses Hindernis aus dem Weg geräumt haben, kann es endlich losgehen. Nun müssen nur noch die Rucksäcke gepackt und der Proviant vorbereitet werden.





Gletscher, Eisschollen und atemberaubende Panoramablicke
Statt dem weltbekannten W-Trek machen wir das VI. Denn leider konnten wir in der Mitte des Trekkings keine Übernachtungsmöglichkeit finden. Somit wandern wir die ersten drei Etappen und kehren dann zu Beat zurück und fahren auf die andere Seite. Von dort können wir die letzte Etappe in einem Tag zurücklegen. Los geht es mit der Fähre. Die 30 Minuten lange Fahrt bringt uns zum Camping Paine Grande, von welchem wir uns direkt auf den Weg machen zum Lago Grey. Es geht stetig etwas bergauf, ist aber auch mit unseren Rucksäcken gut machbar. Oben angekommen stellen wir unser Zelt auf und verbringen danach noch eine Stunde am wunderschönen Gletschersee. Dieser ist übersäht mit Eisschollen, welche im Sonnenlicht glitzern. Definitiv nicht etwas, das man jeden Tag sieht und ein super Auftakt. Je später es wird, desto kälter wird der Wind. Wir ziehen uns in unser Zelt zurück und kochen einen mexikanischen One Pot. Das erste kreative Menü mit den erstandenen Lebensmitteln.









Gletscherabbrüche beim Mirador Británico
Nach der ersten Nacht im Zelt geht es zurück zum Paine Grande. Dort verbringen wir eine weitere Nacht. Danach steht eine anstrengende Etappe an. Es geht zum Mirador Británico und wieder zurück. Insgesamt sind dies 28 Kilometer mit einigen Höhenmetern. Den Rucksack lassen wir beim Camping zurück. Wir starten früh morgens. Das Wetter ist etwas schlechter als an den beiden Tagen zuvor aber für Patagonien immer noch sehr gut. Es geht durch einen abgebrannten Wald, vorbei an verschiedenen Lagunen und schliesslich einem Fluss entlang hoch bis zu einem weiteren Gletscher. Dort können wir beobachten, wie Teile des an den Felsen geklebten Gletscher abbrechen und in die Tiefe donnern. Ein Naturschauspiel. Zudem bietet der Mirador einen spektakulären Panoramablick auf die umliegenden Felstürme.








Ein Tag Pause am Lago Pehoé
Zurück im Paine Grande entscheiden wir uns das Zelt abzubrechen und am gleichen Abend zu Beat zurückzukehren. Denn für den nächsten Tag ist Regen angesagt. Wir setzen einen Tag aus und machen nur einen kleinen Spaziergang zum Mirador Condor. Dieser führt am Wasserfall Salto Grande vorbei und schliesslich zu einer weiteren Lagune. Der Wind fegt uns fast weg und peitscht uns den Regen ins Gesicht. Auf dem Rückweg joggen wir, uns sind heil froh, als wir bei Beat ankommen.




Mirador Base las Torres — Das beste zum Schluss
Nachdem wir das V nun schon erwandert haben, steht am letzten Tag noch das I an. Der Mirador Base las Torres gilt als Highlight. Wir erwischen perfektes Wetter und starten am frühen Morgen vom Visitor Center aus. Leider mit sehr wenig Schlaf, da das Team des Nationalparks am Vorabend bis spät in die Nacht hinein eine Weihnachtsparty veranstaltet hatte. Der Bass der Musik war so laut, dass es Beat regelrecht schüttelte. Aber was soll’s. Um 07:00 laufen wir los und erreichen die eisblaue Lagune mit Blick auf die Türme fast als Erste. Als die Massen eintreffen sind wir schon wieder auf dem Rückweg. Trotz einiger planerischen Schwierigkeiten ist am Schluss alles perfekt aufgegangen und wir konnten das Trekking im Torres del Paine in vollen Zügen geniessen. Nächstes Ziel: Ushuaia – Fin del Mundo




Lieber Bryan und liebe Bianca,
Ihr erlebt ja Abenteuer! Eigentlich muss man jeden Abend froh sein, dass es einem gut geht. Aber immer wieder seid ihr in den tollsten Landschaften. Wünsche euch weiterhin gutes Durchkommen und immer wieder viel Spass und schöne Begegnungen.
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WOW, was für eine Tour! Respekt! Wundervolle Fotos und toll geschrieben. 👍
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